Genüsse jenseits des Fleisches

Fleisch gilt als der ultimative Genuss. Doch warum eigentlich? Dieser machtHunger kratzt an der Herrschaft des Bratens und bringt die Vielfalt von Gemüse ins Spiel.

Malerei von zwei Schweinen die in einem Stall liegen bzw. stehen und den Betrachter anblicken. Vor ihnen liegt eine Karotte und zwei Rüben sowie ein Kohlblatt. Neben ihnen steht ein Fass. Das Bild stammt von George Morland. Es wurde Ende des 18. Jahrhunderts gemalt.
„Pigs“ von George Morland, Ende des 18. Jahrhunderts. © Getty Images

In dieser achten Episode unseres Podcast macht Hunger bewegt sich Gastrosoph Peter Peter mitten hinein in das kulinarische Herz des Kulturkampfs: Es geht um Fleisch. Oder schlimmer: Um vegetarische Küche.

Der Podcast

Essen ist heute mit Moral und Politik verknüpft. Frühere Generationen waren damit beschäftigt, Lebensmittel heranzuschaffen.

Tatsächlich ist Fleisch ein Politikum geworden: Es ist genau zehn Jahre her, dass die Grünen in Deutschland im Bundestagswahlkampf 2013 vorschlugen, in den Kantinen von Bund und Ländern einen Tag in der Woche zum Veggieday zu machen. Schnell galten sie als lustfeindlich, es war von einem geplanten Fleischverbot die Rede. Das Thema wurde seither vielfach variiert; zuletzt im bayerischen Wahlkampf, Stichwort Schnitzel, und ebenso in Niederösterreich, ebenfalls Stichwort Schnitzel.

Schwarzweiß Fotografie einer Warteschlange vor einem Geschäft, das Fische verkauft. Es sind ausschließlich Frauen mit große Einkaufstaschen in der Warteschlange. Das Foto wurde in Wien in den 1950er Jahren aufgenommen, als die Preise für Fleisch stark angestiegen waren.
Im Wien der 1950er Jahre hatten Fische eine erstaunliche Popularität: Die Preise für Fleisch waren stark gestiegen. © Getty Images

Dabei ist längst eine Abkehr vom Fleisch im Gange erklärt Peter Peter. Die Gründe sind vielfältig: Fleisch aus Massentierhaltung ist für das Klima problematisch, ebenso für die Gesundheit, das Wasser und fördert den Einsatz von Pestiziden. Es kommt aber auch ein Lifestyle-Grund hinzu. „Gemüse ist chic geworden, fast ein Luxus“, so Peter Peter.

Vom Verzicht zum exotischen Genuss

Während Gemüse in früheren Zeiten vor allem in christlichen Traditionen als Speise des Verzichts galt – man aß Gemüse weil man krank war, Fastenregeln einhalten wollte oder weil Fleisch teuer war – ist es heute Ausdruck von Genuss und Raffinesse. „Gemüse hat die Haute Cuisine erobert: Viele schicke Lokale setzen ganz auf vegetarische Küche oder zumindest telweise. Alain Ducasse verzichtet auf Fleisch und Butter. Der Koch Alain Passard hat in der Bretagne eigene Gewächshäuser, weil er Wert darauf legt, die Herkunft seines Gemüse zu kontrollieren. Und so kommen auch alte Sorten wieder zum Vorschein: Violette, schwarze, gelbe Karotten, rote Auberginen – diese Lust auf Gemüse ist eine Chance für Kleinbauern und die Landwirtschaft.“

Gefällt Ihnen der Podcast?

Diese Episode über die vegetarische Küche ist die achte Folge unseres Podcast macht Hunger mit dem Gastrosophen Peter Peter. In unserer Podcastreihe macht Hunger geht es um die Kulturgeschichte des Essens und alle wirtschaftlichen Verstrickungen und politischen Machtspiele, die mit dem Essen und mit kulinarischen Traditionen verbunden sind.

Die erste Folge über die Macht der Nationalgerichte können Sie hier nachhören, die zweite Folge über französischen Küchendrill hier, die dritte Folge über die klassenlose italienische Küche hier, die Folge Nummer vier mit den unwissenden Wienern und dem Wiener Schnitzel hier, Folge Nummer fünf über der Welterweiterung durch die Imbissbude hier, die Folge über die Ambivalenz des Zuckers hier, über die Küche des Warschauer Pakts hier und das weitere Programm von macht Hunger nach dem Genuss jenseits von Fleisch und Wurst finden Sie hier:

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Zahlen & Fakten

Eine Gruppe von Menschen mit roten Winterjacken sitzt an einer mit weißem Tuch bedeckten Tafel bei einem Essen. Zwei der fünf Personen halten prostend ihre Weingläser Richtung Kamera. Das Essen findet auf eine Schiffsdeck statt. Das Bild ist Teil eines Beitrags über Fleisch und Gemüse.
Dinner in der Antarktis während eines Schneesturms 2006. © Getty Images

macht Hunger – Ab dem Stefani-Tag geht’s weiter

26. Dezember >> Gewürze! Amitav Ghosh hat der Muskatnuss ein ganzes Buch gewidmet: Die Geschichte von Pfefferkuchen und Mandelkern ist nämlich keine Erzählung von einer heilen Welt, sondern eine vom Heraufziehen des imperialen Zeitalters ab dem frühen 17. Jahrhundert. Ein machtHunger über Reichtum, Macht und Kekse.

9. Januar >> Schön essen! Tischmanieren bilden nicht nur den kulturellen Kitt von Klein- und Großbürgertum, sondern auch jenen des Hofes, wo sie zum ersten Mal zu Ritualen wurden. Doch ihre eigentliche Quelle sind die religiösen Vorschriften.

23. Januar >> Kartoffel! Oder Erdapfel, Krumbiere … Die Kartoffel steht hinter großen Migrationsgeschichten, gesellschaftlichen Umbrüchen und einer Neuorientierung der Landwirtschaft. Die Macht der Knolle ist groß, ihre Herkunft nicht restlos geklärt.

Über Peter Peter

Portraitfoto von Peter Peter.
Beim Essen gibt es keine Zufälle: Gastrosoph Peter Peter zeigt im Podcast macht Hunger wieviel politisches Kalkül im Essen steckt. © Gregor Kuntscher

Der Kulturwissenschaftler Peter Peter ist in der bayerischen Hauptstadt München aufgewachsen, hat in Klassischer Philologie promoviert und ist Autor zahlreicher Bücher über das Reisen und die Kochkulturen dieser Welt (unter anderem verfasste er auch eine Kulturgeschichte des Schnitzels bzw. der österreichischem Küche). Er lehrte an der von Slow Food gegründeten Università delle scienze gastronomiche in Pollenzo und Colorno. Seit 2009 lehrt er für den Masterstudiengang des Zentrums für Gastrosophie der Universität Salzburg das Modul „Weltküchen und Kochsysteme“ und ist Mitglied der Deutschen Akademie für Kulinaristik.

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