Wie die Muskatnuss das Paradies beendete

Die Geschichte der Muskatnuss nahm eine grausame Wendung, als europäische Händler sie für sich entdeckten. Podcast machtHunger IX mit Peter Peter.

Darstellung eines niederländischen Kaufmanns mit seiner Frau in einer protestantischen Kleidung. Ein Diener hält einen großen Sonnenschirm über sie. In der rechten Bildhälfte sind große Handelsschiffe zu erkennen, die eine niederländische Flagge tragen.
Der niederländische Kaufmann und Händler Jacob Mathieusen deutet in dieser Darstellung aus der Mitte des 17. Jahrhunderts auf den Ursprung eines Teils seines Reichtums: Die zur Niederländischen Ostindienkompanie (VOC) gehörende Schiffsflotte. Im Hintergrund ist das damalige Batavia, heute Jakarta, zu erkennen. Der Kaufmann und seine Frau sind protestantisch bescheiden gekleidet, anders als ihr Diener hinter ihnen. Im Handel der VOC waren eine Million Europäer beschäftigt; die Flotte hatte fast 4.800 Schiffe. © Getty Images

In der Antike und im frühen Mittelalter glaubte man in Europa, Gewürze stammten aus dem Paradies und brächten das ewige Leben. Dann kam 1602 die Niederländische Ostindien-Kompanie (Vereenigde Oostindische Compagnie oder Vereenigde Geoctroyeerde Oostindische Compagnie – kurz VOC ) und machte aus Muskatnüssen, Zimt und Nelken ein Geschäft. Das änderte alles.

Der Podcast

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Das Primat der Gewinn-Maximierung ließ keine Rücksicht auf Ressourcen oder die Menschen zu.

Die kurze Einleitung über die VOC ist natürlich verkürzt. Am Anfang der ausbeuterischen Geschichte der Muskatnuss steht aber ein Völkermord durch die Niederländer an etwa 15.000 Einwohnern auf den Banda-Inseln, einer Inselgruppe, die zu den Molukken im heutigen Indonesien gehört. Britische und niederländische Handelsgesellschaften konkurrierten seit Beginn des 17. Jahrhunderts erbittert in dem – aus europäischer Sicht – entlegenen Weltgebiet, denn nur dort wuchs damals die Muskatnuss, Myristica frangrans, keine Nuss, sondern ein Magnoliengewächs.

Eine Kostbarkeit als Plantagenware

Schon seit der Zeit der Kreuzzüge waren Gewürze wie Piment, Nelken, Zimt und eben die Muskatnuss in Europa bekannt. Es waren seltene Gewürze, die zu hohen Festtagen gereicht wurden und als Heilgewürz Verwendung fanden. Islamische Händler hatten die Kostbarkeiten ins Römische Reich gebracht, man glaubte, sie kämen aus dem Paradies, verhülfen zu ewigem Leben und erotischer Lust.

Darstellung von Handelsschiffen mit Beibooten im 18. Jahrhundert. Es sind Schiffe mit der Flage der Niederländischen Ostindienkompanie (VOC). Das Bild stammt aus dem Jahr 1754.
Schiffe der Niederländischen Ostindienkompanie (VOC) 1754. Die Gefahren des Übersee-Handels lohnten sich für die Kaufleute der VOC. Bei Muskatnüssen lagen die Gewinnspannen dank Sklavenarbeit bei 60.000 Prozent. © Getty Images

Die Vereenigde Oostindische Compagnie (VOC) baute ihr Geschäft auf diesem Nimbus auf und zerstörte ihn damit zugleich. Nach der Auslöschung der Bevölkerung der Banda-Inseln ließen die niederländischen Kaufleute Plantagen anlegen und Sklaven darauf arbeiten. So wurden bei der Muskatnuss Gewinnspannen von 60.000 Prozent möglich. Für zwei Muskatnüsse bekam man eine Kuh.

Wie war die zwei Jahrhunderte währende Ausbeutung möglich? Wie rechtfertigten die christlichen niederländischen Kaufleute ihr Tun? Der Podcast führt nicht nur in die Geschichte der Muskatnuss, sondern auch zu den geistesgeschichtlichen Grundlagen, die den Kolonialismus ermöglichten.

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Diese Episode über die Geschichte der Muskatnuss ist die neunte Folge unseres Podcast macht Hunger mit dem Gastrosophen Peter Peter. In unserer Podcastreihe macht Hunger geht es um die Kulturgeschichte des Essens und alle wirtschaftlichen Verstrickungen und politischen Machtspiele, die mit dem Essen und mit kulinarischen Traditionen verbunden sind.

Die erste Folge über die Macht der Nationalgerichte können Sie hier nachhören, die zweite Folge über französischen Küchendrill hier, die dritte Folge über die klassenlose italienische Küche hier, die Folge Nummer vier mit den unwissenden Wienern und dem Wiener Schnitzel hier, Folge Nummer fünf über der Welterweiterung durch die Imbissbude hier, die Folge über die Ambivalenz des Zuckers hier, über die Küche des Warschauer Pakts hier, die Episode über das Fleisch hier und das weitere Programm von macht Hunger nach der Muskatnuss finden Sie hier:

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Zahlen & Fakten

Foto von zwei Frauen in sommerlichen Kleidern und mit Hut, die an einem runden Tisch mit Tischecke sitzen und Tee trinken. Schildkröten laufen zu ihren Füßen herum. Eine der beiden Frauen hat eine Schildkröte hochgehoben und blickt sie an. Das Bild ist Teil eines Beitrags über den Podcast machthunger, in dem es um Kolonialismus geht. Das Beispiel ist nicht Tee, aber die Muskatnuss.
Afternoon Tea im Whispnade Zoo in England 1935. © Getty Images

macht Hunger – Ihr Januar-Programm

9. Januar >> Schön essen! Tischmanieren bilden nicht nur den kulturellen Kitt von Klein- und Großbürgertum, sondern auch jenen des Hofes, wo sie zum ersten Mal zu Ritualen wurden. Doch ihre eigentliche Quelle sind die religiösen Vorschriften.

23. Januar >> Kartoffel! Oder Erdapfel, Krumbiere ... Die Kartoffel steht hinter großen Migrationsgeschichten, gesellschaftlichen Umbrüchen und einer Neuorientierung der Landwirtschaft. Die Macht der Knolle ist groß, ihre Herkunft nicht restlos geklärt.

Über Peter Peter

Portraitfoto von Peter Peter.
Beim Essen gibt es keine Zufälle: Gastrosoph Peter Peter zeigt im Podcast macht Hunger wieviel politisches Kalkül im Essen steckt. © Gregor Kuntscher

Der Kulturwissenschaftler Peter Peter ist in der bayerischen Hauptstadt München aufgewachsen, hat in Klassischer Philologie promoviert und ist Autor zahlreicher Bücher über das Reisen und die Kochkulturen dieser Welt (unter anderem verfasste er auch eine Kulturgeschichte des Schnitzels bzw. der österreichischem Küche). Er lehrte an der von Slow Food gegründeten Università delle scienze gastronomiche in Pollenzo und Colorno. Seit 2009 lehrt er für den Masterstudiengang des Zentrums für Gastrosophie der Universität Salzburg das Modul „Weltküchen und Kochsysteme“ und ist Mitglied der Deutschen Akademie für Kulinaristik.

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