Der Alpenverein, die Hütten und das Klima

Mit Sentimentalität hat es wenig zu tun, wenn der Alpenverein sich für eine intakte Natur einsetzt: Es geht um die Sicherheit in den Bergen, so ÖAV-Präsident Wolfgang Schnabl.

Die Südwand-Hütte am Dachstein in Österreich auf 1.910 Meter Seehöhe. Das Bild illustriert einen Beitrag über die Folgen des tauenden Permafrost für die Hütten in den Alpen und den Wandertourismus. Es ist Teil eines Interviews mit dem Präsidenten des Österreichischen Alpenvereins, Wolfgang Schnabl.
Die Südwand-Hütte am Dachstein in Österreich auf 1.910 Meter Seehöhe. © Getty Images

Die Alpen, so wie wir sie heute kennen, wird es in Zukunft nicht mehr geben, meint Wolfgang Schnabl. Dennoch lohnt sich der Kampf um eine möglichst intakte Natur: Der Präsident des Alpenvereins berichtet im Podcast darüber, wie sich der Klimawandel auf die Wegenetze und die Sicherheit in den Bergen auswirkt, und warum ein Ausbau von Wasserkraft aus seiner Sicht eher nicht der Weisheit letzter Schluss ist.

Der Podcast mit Wolfgang Schnabl

Wenn Hütten wegfallen, fallen auch Wege weg.

Wolfgang Schnabl

Insgesamt 26.000 Kilometer lang sind die Wanderwege, die der Österreichische Alpenverein in den 162 Jahren seines Bestehens geschaffen hat, hinzu kommen 569 Hütten. Das ist das Netzwerk, das die Alpen als Ort der Erholung und des Bergsports erschließt. Für den Tourismus ist es unersetzlich.

„Das Problem ist aber, wenn Hütten wegfallen, fallen auch Wege weg, weil Hütten sind entweder Zwischenziele, wenn man längere Touren machen möchte, oder einfach ein Ziel, das gut erreichbar ist, wo man sich stärken kann, wo man Spaß haben kann und dann wieder absteigen kann. Fällt die Hütte weg, fallen auch die Wege weg und dadurch fällt der Tourismus massiv ab“, so Wolfgang Schnabl, seit Mai Präsident des ÖAV.

Die Zukunft der Alpen

Hütten und Wege sind im Klimawandel bedroht: Neben Vermurungen, häufigeren Steinschlägen und tauendem Permafrost, ist auch die Wasserversorgung nicht mehr selbstverständlich. „Mit den Gletschern wird auch die Wasserversorgung vieler Hütten verschwinden. Wir haben jetzt schon Probleme. Einige Hütten mussten im letzten Sommer zusperren, weil sie einfach kein Wasser mehr hatten. Das sind alles Auswirkungen der steigenden Temperaturen.“

Erst vor wenigen Monaten hat der Alpenverein daher vom Bund finanzielle Unterstützung eingemahnt, es geht um 95 Millionen Euro – und dies, obwohl der Alpenverein ehrenamtlich tätig ist. „Das Wegenetz ist besonders für Österreich ein unglaublicher Wirtschaftsfaktor.“

Die Energiefrage

Es ist aber nicht allein das wirtschaftliche Kalkül. Intakte Natur ist in den Bergen Österreichs selten geworden. Die Alpen sind nahezu komplett erschlossen, und die Nutzungsansprüche bleiben hoch. Die Skiindustrie will weitere Pisten erschließen; Wasserkraft soll im Namen der Energiewende noch ausgebaut werden.

Im Sinne des Naturschutzes ist das aus Sicht von Schnabl ein Konflikt: „Wir wollen Menschen in die Natur, in die Berge bringen, aber auch in eine intakte Natur. Die Seilbahnwirtschaft, die Jäger, die Almwirtschaft und natürlich auch touristische Erschließung, die Wildtiere – all das sind Lebensraumpartner. Wir versuchen hier einen konstruktivem Dialog beizusteuern und konfliktfreies Miteinander zu fördern.“

Man will ein Pumpspeicherwerk im größten alpinen Moorgebiet Österreichs bauen, obwohl wir wissen, es gibt kein anderes ökologisches System, das so viel CO2 speichern kann.

Wolfang Schnabl

An die Grenzen gerät Schnabl, es um die Erschließung neuer Gletscherskigebiete oder um massive Verbauung etwa durch Wasserkraft geht: „Wir sind dafür bestehende Skigebiete zu renovieren, zu aktualisieren, zu restaurieren, auf aktuellem Stand zu halten, aber Neuerschließungen stehen wir sehr kritisch gegenüber. Im Platzertal wird geplant, einen Wasserspeicher für ein Pumpspeicherwerk zu machen, der das größte alpine Moorgebiet Österreichs zerstören würde, obwohl wir wissen, es gibt kein anderes ökologisches System, das so viel CO2 speichern kann.“

Ein Speichersee brauche 10 bis 15 Jahre, um fertiggestellt zu werden. „Ist das dann wirklich noch die Speichermethode wie wir Energie speichern werden? Ich glaube nicht. Die Technik schreitet im Moment rasant voran. Und wir haben zum Beispiel mit der Sonnenschienhütte im Hochschwabgebiet die erste Hütte, die überschüssigen Photovoltaikstrom in Wasserstoff umwandelt.“

Zum Thema Windkraft hat der Alpenverein ein Positionspapier verfasst. Aus Sicht des ÖAV braucht es Leitlinien, damit Entscheidungen nicht im Kurzschluss und im Sinne kurzfristiger Interessen geopfert werden.

„Und es darf nicht Naturschutz gegen Klimaschutz ausgespielt werden. Das ist für uns kein Gegensatz, aber für viele ist Klima im Moment das Einzige und alles andere wird geopfert. In den Bergen gerade in den Alpen haben wir sehr, sehr sensible Zonen für Tiere, für Pflanzen, aber auch für die Almwirtschaft selbst und das hier, ich würde fast sagen: gedankenlos, zu opfern, das tut uns weh. Deswegen treten wir hier verstärkt auf.“

Bei einem Regenverhangenen Himmel blickt ein Mann in roter Regenjacke auf ein Tal. Er steht vor einer kleinen Holzkirche, die sich an die Felswand eines Berges schmiegt. Das Bild ist Teil eines Beitrags über die Zukunft der Alpen und illustriert einen Podcast mit Wolfgang Schnabl vom Alpenverein.
Beim Friedenskircherl am Stoderzinken in der Steiermark, 2020. © Getty Images

Was ist die Zukunft der Alpen? „Die kurze Antwort ist, die Alpen werden verschwinden. Das Naturgebiet so wie wir es kennen, die Almen, die Vegetation. Die Baumgrenze steigt, die Tiere ziehen sich in die Höhe zurück, und irgendwann wird es die Höhe nicht mehr geben, wo sie sich zurückziehen können. Das heißt, wir werden einfach anderes Klima haben, andere Bedingungen in den Alpen.“

Über Wolfgang Schnabl

Wolfgang Schnabl ist Bergsportler, Tourenführer und seit Mai 2024 der Präsident des Österreichischen Alpenvereins mit über 700.000 Mitgliedern. Der promovierte Biochemiker arbeitet im Bereich IT-Sicherheit in Niederösterreich.

Mehr über die Alpen

Unser Newsletter