Wo die Alpen wurzeln

Sie werden dringend gebraucht, doch es gibt sie kaum noch: artenreiche Bergwiesen. Der Landwirt Florian Kogseder bringt sie wieder zum Leben.

Eine Bergwiese an einem Hang mit einem Holzschober im Hintergrund. In der weiteren Ferne ist eine Gebirgskette und ein Dorf zu sehen. Das Bild ist Teil eines Beitrags über Bergwiesen in den Alpen und einen Verein, Bergwiesn, der sich dem Erhalt der Bergwiesen widmet.
Eine Bergwiese bei Davos in der Schweiz. © Getty Images

Wer als unbedarfter Laie einmal eine Bergwiese gesehen hat, dem wird vielleicht plötzlich auffallen wie gleichförmig und still im Gegensatz dazu die Wiesen und Weiden sind, die man in den Tälern der Alpen üblicherweise vorfindet. Es sind Fettwiesen. Monokulturen. Nicht das, was Florian Kogseder und der Verein Bergwiesn wiederherstellen möchte. Der Landwirt erklärt, warum Bergwiesen jetzt so wichtig sind.

„Die Berglandwirtschaft hat vor Jahrhunderten etwas sehr Schönes und Nützliches hervorgebracht: die Bergwiese oder, richtiger, den alpinen Mäh-Halbtrockenrasen. Das sind die Wiesen, die man sofort als Alpenwiesen erkennt.

Die Zukunft der Alpen

Sie sind eher nährstoffarm, sehr wärmeliebend und bieten eine unübertroffene Artenvielfalt. Neben einer Vielzahl verschiedener Gräser wachsen hier Blütenpflanzen wie der Lein, viele Orchideen- und Kleearten oder der Wiesen-Salbei.

Entstanden als Weiden für Rinder, Schafe und Ziegen am Beginn der Landwirtschaft in den Alpen ab circa 4000 vor Christus, fielen Bergwiesen ab den 1950er-Jahren der intensiven Landwirtschaft zum Opfer. In den ebenen Lagen wurden sie durch Grünland-Monokulturen ersetzt; in den Steillagen oft aufgegeben oder aufgeforstet. Mit dem Verein „Bergwiesn“ versuchen wir, möglichst viele dieser Bergwiesen wieder in ihren natürlichen Zustand zu bringen. Mehr als nur schön

Florian Kogseder auf einer Bergwiese in Oberösterreich. Der Landwirt setzt sich für die Wiederherstellung der artenreichen Bergwiesen ein.
Florian Kogseder. © Kogseder

Aktuell sind es 120 Hektar Wiesen in Oberösterreich, um die wir uns kümmern, indem wir sie nur einmal und sehr spät im Jahr mähen, frühestens im Juli. So geben wir der gesamten Palette an Arten Gelegenheit, auszusamen.

Zur Erklärung: Auf Wiesen, die vier- oder sogar sechsmal im Jahr gemäht werden, setzen sich die Arten durch, die sich vegetativ durch Wurzelausläufer vermehren oder früh absamen. Diese Wiesen beherbergen nur eine Handvoll verschiedener Arten.

Wir mähen mit leichten Motormähern, in Extremlagen auch mit der Sense, um den Boden nicht zu verdichten. Wir düngen nicht, weil zu viel Stickstoff für viele Arten hochgiftig ist. Was wir in den letzten Jahren vermehrt machen, ist extensive Beweidung, bei der wir mit einer kleinen Anzahl Tiere arbeiten und auf Ruhezeiten für die Flächen achten. Wir setzen Ziegen und Schafe ein, die auch Gehölze, Büsche und stachelige Sträucher fressen, was Rinder nicht tun. Die heutigen Kuhrassen sind oft auch nicht geländegängig genug für unsere Steillagen.

Wir sind erfolgreich, aber die Prozesse können langwierig sein. Warum tun wir uns diese Arbeit an?
Die wichtigsten drei Gründe: Wir dürfen die Bestäuberinsekten nicht verlieren, sonst ist jede Form der Landwirtschaft, auch die industrielle, unmöglich. Wir brauchen eine vielfältige Landwirtschaft, die qualitätsvolle Lebensmittel hervorbringt und wirtschaftlich lohnend ist. Und schließlich sind intakte Ökosysteme unsere einzige Lebensversicherung – nicht nur im Klimawandel.“

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Zahlen & Fakten

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Eine Bergwiese. (c) Getty Images

Bergwiesen: Etwas mit Gras

  • Magerrasen: Die Nährstoffarmut des Bodens ist ausschlaggebend, meist sind die Böden auch flachgründig mit feiner Erde. Magerrasen wurden für die extensive Weidewirtschaft mit Schafen oder Ziegen genutzt. Man findet sie in der alpinen Höhenstufe bis zur subnivalen Zone.
  • Trockenrasen: Ein Typus des Magerrasens und charakterisiert durch Trockenheit zum Beispiel in der pannonischen Steppe oder in den Alpen als Felsrasen.
  • Der Halbtrockenrasen ist eine Variante des Magerrasens nur etwas feuchter als der Trockenrasen.
  • Wird ein Magerrasen gedüngt, entsteht eine magere Fettwiese. Je mehr gedüngt wird, desto artenärmer werden die Wiesen.
  • Fettwiesen findet man im Tal, oft auf planierten ehemaligen Ackerflächen (Terrassen), die von frühen Bauerngesellschaften noch im Rahmen der Selbstversorgerlandwirtschaft angelegt worden waren. Die Fettwiesen wurden im 19. Jahrhundert mit der Trennung von Ackerbau und Viehwirtschaft und der Umstellung auf Rinder notwendig, weil die kalorische Ausbeute höher ist.
  • Dauergrünland. In Österreich sind 54,2 Prozent der Wiesen und Weiden intensiv genutztes Grünland. Für den Artenverlust durch die Umstellung auf Dauergrünland in den 1950er und 1960er Jahren ist neben Monokultur, Düngung und Pestiziden auch die Art und Weise der Bewirtschaftung verantwortlich: Nicht nur wird fünf bis sechs Mal im Jahr gemäht; die schweren Maschinen verdichten den Boden und zerstören das Bodenleben während die gleichzeitige und vollständige Mahd vom Rand zur Feldmitte Vögeln und anderen Tieren keine Ausweichmöglichkeiten lässt. Der Wachtelkönig etwa, ein Bodenbrüter, ist vom Aussterben bedroht.

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