Wie der Tee drei Mal nach Europa kam

Die Briten mögen Tee mögen, erfunden haben sie weder Wort, noch Getränk, noch Rituale. Gastrosoph Peter Peter klärt auf.

Eine Frau steht mit T-Shirt und bunter Schürze in einem sehr einfachen und offenbar sehr alten dunklen Gebäude und wirft einen prüfenden Blick in einen der vielen gusseisernen Kessel mit Tee, die sie vor sich stehen hat.
Im ältesten Teehaus von Penghzen in der Provinz Chengdu in China im Juli 2015. © Getty Images

Bevor es um die Geschichte des Tees geht, eine weitere Wahrheit vorweg: Die Geschichte der Tearooms in Großbritannien ist weiblich. Bereits als die portugiesische Prinzessin Katharina von Braganza 1662 an den englischen Königshof kam, war es üblich, Tee in der Intimität eines Schlafzimmers zu trinken – nur Frauen kamen in diesen Genuss.

Der Podcast über den Tee und seine Geschichte

Die Tearooms haben eine weibliche öffentliche Sphäre ermöglicht.

Ebenso fanden die geselligen Runden im Closet statt, in herrschaftlichen Häusern ein kleiner Raum neben dem Schlafzimmer, in dem auch das feine Porzellan für den Tee aufbewahrt wurde. Im Viktorianischen Zeitalter (Queen Victoria regierte von 1837 bis 1901), das Frauen lieber in der häuslichen Sphäre sah, wurden Tearooms weibliches Refugium, ein öffentlicher Ort für Frauen.

Dass nun im 17. Jahrhundert Katharina von Braganza als Portugiesin mit dem Getränk vertraut war, lässt sich leicht aus der kolonialen Geschichte des Handels herleiten: Portugiesen und Holländer hatten den Tee und Wissen über chinesische und japanische Zeremonien nach Europa gebracht. Die Portugiesen waren die ersten, die auch Zeremonien dazu zelebrierten (wenn auch nicht die original chinesischen). Die ritualisierte Form des Genusses verbreitete sich also zuerst in den Adelshäusern Europas.

Der Weg des Tees I

Der erste Weg der getrockneten, fermentierten und teilweise geräucherten Blätter nach Europa jedoch führt über die Seidenstraße. Es ist das Getränk der Karawanen. Seit 5.000 Jahren in China angebaut und getrunken, brachten Buddhistische Mönche das Getränk zunächst nach Japan, wo die Pflanze (Theaceae, daher ist Kräutertee auch kein Tee und streng genommen nichts für den Afternoon Tea) ebenfalls angebaut wurde und sich weitere Rituale und Zeremonien rund um den Genuss entwickelten.

Auf einem großen Tisch, an dem drei Männer sitzen und reden, stehen viele Tassen mit Tee. Durch ein Oberlicht fällt Sonne in den Raum. Eine Frau steht im Hintergrund und arbeitet.
Die Gäste des Teehauses sind in diesem Fall vorwiegend Männer. © Getty Images

Die Verarbeitung der Blätter (rollen, fermentieren usw.), die Teehäuser und die besonders feinen Porzellanschälchen aus denen man trinkt, sind chinesisch. Das Wort Tee selbst zeugt von den chinesischen Ursprüngen. Das Schriftzeichen für Tee, ausgesprochen Tu, steht für bittere Pflanze, es wird im Werk Chajing (Buch vom Tee) im Jahr 760 erwähnt und erfährt somit weite Verbreitung. Der Titel Chajing verdeutlicht, dass auch die Bezeichnung Chai aus dem Chinesischen (von Cha) stammt. Die Ableitung von Cha findet sich in Europa zum Beispiel im Portugiesischen wieder: chá.

Der Handel der Seidenstraße war für die erste Verbreitung des Tees wichtig: Mit den Karawanen gelangte er nach Zentralasien, nach Persien, in die Türkei, den Arabischen Raum und nach Russland und auch nach Indien. Die Seidenstraße brachte auch die europäischen Händler, die Missionare und Transportunternehmen mit dem Getränk (und dem Porzellan) in Kontakt. „Im 16. Jahrhundert kam es zu einer ersten Welle der China-Begeisterung und speziell in Portugal gab es sehr früh ein chinesisches Zeremoniell“, so Peter Peter. Die geräucherte Version, die vor allem in Russland verbreitet ist, geht auch auf die Karawanen zurück, sie ist vermutlich ein Nebeneffekt der monatelangen Reisen und der Lagerfeuer, die die fermentierten Blätter räucherten.

Der Weg des Tees II

Ein zweites Mal kam der Tee im 17. Jahrhundert nach Europa. Für die portugiesischen und holländischen Kaufleute, die mit dem Erzeugnis aus China handelten, hatte der Schwarztee große Vorteile, weil sich die Blätter gut auf den Schiffen transportieren und lagern ließen. Aus demselben Grund schaffte es die grüne Variante damals noch nicht nach Europa, er verdarb zu schnell.

Ein Mann und eine Frau sitzen nebeneinander und unterhalten sich. Vor ihnen steht ein kleiner Tisch mit einem Teeglas. Hinter ihnen an der Wand hängen viele Bilder und gerahmte Auszeichnungen. Das Foto entstand im Shandar Teehaus in Baghdad.
Mansplaining im Shabandar Teehaus im März 2023 in Baghdad. © Getty Images

„Es war besonders für die Briten, die das Getränk von den Holländern übernahmen, ein ganz neuartiges Genussprodukt, das mit Produkten wie Schokolade oder Kaffee wetteifern konnte“, sagt Peter Peter und erklärt, wie der Tee in England schließlich zu einem Arbeitergetränk werden konnte, obzwar seine Anfänge in adeligen und später – dank der Kaufleute – in großbürgerlichen Traditionen liegen.

Da der Tee in einen Gegensatz gestellt wurde zum berauschenden Alkohol waren die Tea Houses, die es auch in China gab (und gibt) auch die ersten öffentlichen Gaststätten in Großbritannien, wo auch Frauen verkehrten, denn, so Peter Peter „es waren keine betrunkenen Männer da, es gab keine Raufereien, es war ein Beginn einer weiblichen Öffentlichkeit in Großbritannien.“

Der Weg des Tees III

Tee mit Milch zu trinken gilt als ursprünglich britisch, doch das stimmt nicht. Zum einen haben auch Ostfriesland und Teile der Niederlande eine Tee-mit-Mich-Tradition (in Ostfriesland auch Tee mit Sahne und Kandiszucker, Klüntjes); zum anderen haben die Briten diese Genussvariante von den Indern gelernt, wo der Schwarztee mit heißer Milch und Gewürzen aufgekocht wird. Nach Indien, wo der Teestrauch auch natürlicherweise vorkommt, kam der Tee aus China. Heute stammen 30 Prozent des weltweit gehandelten Tees aus Indien.

Der Tee und das Opium

Die Liebe der Briten zum Tea war kostspielig. Im 18. Jahrhundert, so berichtet Peter Peter, gerieten die Staatsfinanzen ins Trudeln, da die Importe aus China, darunter auch Porzellan und Seide, mit Gold und Silber bezahlt wurden. Bis die britische East India Company auf die Idee kam, ihr Handelsdefizit mit illegalem Opiumhandel auszugleichen.

Zwar hatte es bereits seit dem 15. Jahrhundert Opium in China gegeben, im 19. Jahrhundert allerdings wurde es durch die Aktivitäten der East India Company ein Massenprodukt. Ansuchen an Queen Victoria den Opiumhandel einzustellen, blieben unerhört. Als chinesische Beamte eine Opiumlieferung 1839 beschlagnahmten, begann Großbritannien einen Krieg, der 1842 endete. Hongkong fiel an die Briten, China musste seine Märkte für den Welthandel öffnen. Die Zeit bis 1949 als Mao Tsedong die Volksrepublik China ausrief, gilt in China als das Jahrhundert der Demütigung.

Der Tee und sein Beutel

Wer das Säckchen für den Blätterstaub erfunden hat, ist nicht restlos geklärt. Im Beutel findet sich Blätter, die maschinell geerntet und nach dem Cut-Tear-Crush-Verfahren verarbeitet wurden. Das CTC-Verfahren wurde in den 1930er Jahren für Schwarztee entwickelt, es macht das Getränk billiger und stärker. Es ist aber nicht so geschmackvoll wie Blätter, die im Handleseverfahren geerntet und verarbeitet wurden. Erfunden hat CTC William McKercher in Assam.

Ein holzvertäfeltes Café mit orientalisch verfliesten Säulen in dem drei Frauen sitzen und sich teilweise über Tische hinweg unterhalten.
Garantiert ohne Teebeutel: Dieses Teehaus in der Hafenstadt Essaouria in Marokko wurde 1928 gegründet und ist ein UNESCO Weltkulturerbe. © Getty Images

Zum Beutel gibt es nun zwei Geschichten, berichtet Peter Peter. Eine rankt sich um einen Händler in den USA, Thomas Sullivan, der keine teuren Blechdosen mit Proben versenden wollte und circa um 1908 für den Versand die Stoffsäckchen aus Seide entwickelte. Solche Säckchen waren für Arzneien schon im Mittelalter gebräuchlich gewesen.

Die Seidenbeutel landeten schließlich, weil sie so praktisch waren, direkt in den Tassen. Händler wussten dies zu nutzen, um auch Krümel und Abfälle aus der Produktion in den Beuteln zu verstecken und die praktischen Säckchen gerieten in Verruf. Recht unumstritten scheint zu sein, dass die Beutel, die bei den Marktführern auf dem deutschen Markt, Milford und Teekanne, an den Baumwollbändchen baumeln, zuerst von letzteren zur Versorgung der deutschen Truppen im ersten Weltkrieg eingesetzt wurden. Diese tauften sie Teebomben.

Gefällt Ihnen der Podcast?

Diese Episode ist die siebte Episode der zweiten Staffel unseres Podcast macht Hunger mit dem Gastrosophen Peter Peter. In unserer Podcastreihe macht Hunger geht es um die Kulturgeschichte des Essens und alle wirtschaftlichen Verstrickungen und politischen Machtspiele, die mit dem Essen und mit kulinarischen Traditionen verbunden sind.

×

Zahlen & Fakten

Jane Mansfiekd steht mit zwei Chihuahuas an einer Eistheke. Sie trägt die Hunde auf dem Arm, während sie ein lilafarbenes Eis am Stiel ist. Davon hält sie auch zwei in den Händen.
Jane Mansfield mit ihren beiden Hunden 1959 in Las Vegas. © Getty Images

macht Hunger – Letzte Folge dieser Staffel!

2. April >> Voll Fett. Ostern ist gewesen, die katholische Fastenzeit vorbei. Katholiken dürfen wieder völlern. In dieser April-Folge von machtHunger geht es um Fett. Die Dämonisierung von Fett als Dickmacher ist nämlich noch recht jungen Datums, und der Ernährungsexperte Tim Spector hat uns gleich in zwei Interviews erklärt, dass es nicht auf die Kalorien ankommt (es sei denn, sie stammen aus raffiniertem Zucker), und hat damit das Lebensmittel mit der höchsten Energiedichte vom Haken gelassen. Öl und Fett sind gesund. Dieser machtHunger wird sich nicht mit Nährwerten aufhalten, sondern sich mit der Geschichte des Fetts befassen.

Über Peter Peter

Portraitfoto von Peter Peter.
Beim Essen gibt es keine Zufälle: Gastrosoph Peter Peter zeigt im Podcast macht Hunger wieviel politisches Kalkül im Essen steckt. © Gregor Kuntscher

Der Kulturwissenschaftler Peter Peter ist in der bayerischen Hauptstadt München aufgewachsen, hat in Klassischer Philologie promoviert und ist Autor zahlreicher Bücher über das Reisen und die Kochkulturen dieser Welt (unter anderem verfasste er auch eine Kulturgeschichte des Schnitzels bzw. der österreichischem Küche). Er lehrte an der von Slow Food gegründeten Università delle scienze gastronomiche in Pollenzo und Colorno. Seit 2009 lehrt er für den Masterstudiengang des Zentrums für Gastrosophie der Universität Salzburg das Modul „Weltküchen und Kochsysteme“ und ist Mitglied der Deutschen Akademie für Kulinaristik.

macht Hunger Staffel I

machtHunger Staffel II

Geistige Nahrung