Gemästete Mäuse: Das Essen der Antike

Ok, nicht alle aßen Maus: Wer arm war, aß Brei. Doch wer reich und mächtig war, aß liegend alles, was das Reich hergab – Gastrosoph Peter Peter über Esskulturen im antiken Rom.

Viel zu viel zu essen: So stellte sich das 19. Jahrhundert unter anderem den Untergang Roms vor: Die Römer der Verfallszeit von Thomas Couture 1847. Das Essen der Antike ist das Thema der 5. Episode der 3. Staffel des Podcast machtHunger mit dem Gastrosophen Peter Peter. machtHunger ist ein Podcast des Pragmaticus und behandelt in mittlerweile drei Staffeln die Kulturgeschichte des Essens unter dem Gesichtspunkt ihrer politischen und sozialen Implikationen.
Viel zu viel zu essen: So stellte sich das 19. Jahrhundert unter anderem den Untergang Roms vor: Die Römer der Verfallszeit von Thomas Couture 1847. Wenn zu der Zeit vom Untergang Roms die Rede war, dann war in der Regel nur das weströmische Reich gemeint. Heute sind (wertende) Begriffe wie Verfall oder Untergang in der Geschichtswissenschaft nicht mehr üblich. © Getty Images

Diese Episode von machtHunger über das Essen der Antike wird Sie mit anderen Augen auf den Hamsterkäfig blicken lassen: Das Laufrad, es ist eine Erfindung der Römer. In privilegierten Kreisen im Zentrum der Macht aß man gern gemästete Haselmäuse: Die Mäuse wurden dazu in Käfigen gehalten, wobei Laufräder die Tiere zur Bewegung animierten, damit ihr Fleisch nicht zu weich werde.

Der Podcast über die Küche der Antike

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In der Antike hatte man irgendwie so eine kultische Scheu davor, Brot zu kochen.

Peter Peter, Gastrosoph

Nudeln gab es also offensichtlich nicht. Nicht Jeder und Jede im römischen Reich musste deshalb aber zur Haselmaus greifen oder auf einem Sofa liegend essen: Ausreichend großer Mangel an Reichtum und politischer Macht schützte zuverlässig vor Überfluss und Dekadenz (Stichwort Papageienzungen), zumal die aus heutiger Sicht wohl größten Eskapaden nur im antiken Rom selbst stattfanden sowie in anderen städtischen Machtzentren.

Die Küche profitierte ansonsten von den arabischen kulinarischen Traditionen, Gewürzen und Rezepten, auch die Tischkultur haben die Römer aus dem später dann übrig bleibenden oströmischen Reich mitgenommen – der Tisch in der Mitte der Triclinia etwa und die Kultur der Vorspeisen, (arab./pers. mazza, mezze), die bis heute die Dreieinigkeit von Vorspeise, Hauptspeise und Nachspeise der „bürgerlichen“ Küchen Europas bilden.

Diese Tradition bewahrte die römische Küche zwar zwischenzeitlich nicht vor den gemästeten Mäusen, Dekadenz und Völlerei, aber vor der kulinarischen Monotonie, die mit dem europäischen Mittelalter in vielen ehemaligen römischen Provinzen einkehrte, denn die antiken Gewohnheiten zu wahren, gelang dort bekanntlich nicht.

Und: Ja, die Römer waren wahrscheinlich verantwortlich für das Aussterben des Silphiums, jener sagenumwobenen Pflanze, die vielleicht doch noch in einem türkischen Garten erhalten blieb, oder doch nicht?

Falls Sie nach dieser Episode von machtHunger noch nicht genug von der Antike haben: Hier wäre ein weiterer Podcast. Er handelt davon, wie und anlässlich welcher Verbrechen im antiken Rom Recht gesprochen wurde. Der Gast ist die Althistorikerin Anna Dolganov.

„Verfall“ und „Untergang“ des Römischen Reiches wurden vor allem im 19. Jahrhundert nicht nur in Historikerkreisen heftig debattiert und waren auch Lieblingsthemen der Nazis, Stichwort Alfred Rosenberg. Oswald Spengler wollte ein Muster erkennen und vertrat die These vom zyklischen Aufstieg und Zerfall großer Reiche.

„Römisches Reich zur Zeit seiner größten Ausdehnung“ titelt 1904 das Herdersche Conversationslexikon. Diese Grenzen hatte das Römische Reich 117 unter Kaiser Trajan. Der Begriff römische Antike bringt einige Schwierigkeiten mit sich, auch für das Thema dieses Podcasts: „Das als einheitlichen Kochraum zu definieren ist nicht ganz leicht“, so sagt es Peter Peter. Auch die Epochengrenzen sind nicht eindeutig: Wann beginnt und endet die Antike?
„Römisches Reich zur Zeit seiner größten Ausdehnung“ titelt 1904 das Herdersche Conversationslexikon. Diese Grenzen hatte das Römische Reich 117 unter Kaiser Trajan. Der Begriff römische Antike bringt einige Schwierigkeiten mit sich, auch für das Thema dieses Podcasts: „Das als einheitlichen Kochraum zu definieren ist nicht ganz leicht“, so sagt es Peter Peter. Auch die Epochengrenzen sind nicht eindeutig: Wann beginnt und endet die Antike? © wikipedia / Herders Konversationslexikon

Auch wenn die heutige Forschung weniger von Zerfall, sondern von Transformation spricht, so ist irreführenderweise und unausgesprochen meist lediglich das weströmische Reich gemeint. Das oströmische Reiche existierte wesentlich länger und rettete die Errungenschaften Antike, sodass sie in der europäischen Renaissance wieder ausgegraben werden konnten beziehungsweise ein Kulturtransfer stattfinden konnte, der in Europa Moderne und Aufklärung erst ermöglichte.

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Diese Episode ist die fünfte Episode der dritten Staffel unseres Podcasts machtHunger mit dem Gastrosophen Peter Peter. In unserer Podcastreihe machtHunger geht es um die Kulturgeschichte des Essens und alle wirtschaftlichen Verstrickungen und politischen Machtspiele, die mit dem Essen und mit kulinarischen Traditionen verbunden sind.

Möchten Sie noch etwas anderes hören? Sie finden alle unseren bisherigen Podcasts hier.

Über Peter Peter

Portraitfoto von Peter Peter.
Beim Essen gibt es keine Zufälle: Gastrosoph Peter Peter zeigt im Podcast machtHunger wieviel politisches Kalkül im Essen steckt. © Gregor Kuntscher

Der Kulturwissenschaftler Peter Peter ist in der bayerischen Hauptstadt München aufgewachsen, hat in Klassischer Philologie promoviert und ist Autor zahlreicher Bücher über das Reisen und die Kochkulturen dieser Welt (unter anderem verfasste er auch eine Kulturgeschichte des Schnitzels bzw. der österreichischem Küche). Er lehrte an der von Slow Food gegründeten Università delle scienze gastronomiche in Pollenzo und Colorno. Seit 2009 lehrt er für den Masterstudiengang des Zentrums für Gastrosophie der Universität Salzburg das Modul „Weltküchen und Kochsysteme“ und ist Mitglied der Deutschen Akademie für Kulinaristik. Sein jüngstes Buch ist den Zitrusfrüchten und Italien gewidmet. Es heißt Blutorangen und ist im Verlag Klaus Wagenbach erschienen. Für den Pragmaticus hat er einen lesenswerten Einstieg in die Gastrodiplomacy verfasst.

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