Willkommen 2024!

Das vergangene Jahr war in vielen Hinsichten kritisch im Sinne möglicher Wendepunkte. Ein Jahresrückblick als Ausblick auf das, was kommt.

Der niederländische Ministerpräsident Mark Rutte prostet dem Präsidenten der Republik Korea Yoon Suk Yeol über einem prächtig mit Blumen geschmückten Tisch zu. Im Hintergrund sind Gemälde an tapezierten und goldbestuckten Wänden zu sehen. Das Bild illustriert einen Jahresrückblick.
Den Haag am 13. Dezember 2023: Der niederländische Ministerpräsident Mark Rutte prostet dem Präsidenten der Republik Korea Yoon Suk Yeol zu. Es ist möglicherweise der letzte Empfang für die Regierung Rutte. Nach dem Wahlsieg von Geert Wilders im November ist dieser dabei, Koalitionspartner für eine neue Regierung zu suchen. © Getty Images
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Auf den Punkt gebracht

  • Wirtschaft. Hohe Zinsen bremsten die Inflation schließlich. 2024 geht es um Schulden und die Chinazentrierte Weltwirtschaft.
  • Gesellschaft. Artificial Intelligence zeigte mit einem Chatbot erstmals ihre Superkräfte: 2024 zeigen sich die Auswirkungen für Arbeit, Alltag und Demokratie.
  • Klima. Während die Bedrohlichkeit des Klimawandels sich deutlich zeigte, gelangen der Weltgemeinschaft erste Schritte zu mehr Nachhaltigkeit.
  • Politik. 2023 nahmen Populismus und Autoritarismus zu. Wie resilient die liberalen Demokratien sind, wird sich im Superwahljahr 2024 zeigen.

Im Jahresrückblick zeigen sich oft die Vorboten für das kommende Jahr: 2023 erlebte die Welt eine Zunahme an Kriegen, Konflikten und Katastrophen, aber auch große Innovationen und die Demokratien zeigten ihre Widerstandsfähigkeit. 2024 ist das Jahr, in dem entscheidende Wahlen in Afrika, Europa, Südamerika, den USA und Indien stattfinden, die den Lauf der Welt dann mitbestimmen. Lässt sich an den Bildern des Jahres 2023 ablesen, was kommt?

Januar

Polizisten mit Helmen sind vor dem Schaufelbagger des Braunkohle Tagebaus Garzweiler in Deutschland zu sehen. Das Bild ist Teil eines Jahresrückblicks.
Lützerath am 2. Januar 2023: Die gewaltsame Räumung und der Abriss des Dorfes für die Expansion des Braunkohle-Tagebaus Garzweiler II werden zum Menetekel der strauchelnden Energiewende in Deutschland. © Getty Images
Foto einer Statue von Pallas Athene vor dem Parlamentsgebäude in Wien. Im Hintergrund vor strahlend blauem Himmel weht die Nationalflagge Österreichs.
Pallas Athene vor dem Parlament in Wien: Am 12. Januar wurde das Parlamentsgebäude in Wien nach der Sanierung feierlich wiedereröffnet. Der österreichische Nationalrat hatte fünf Jahre lang in einem Ausweichquartier getagt. © Getty Images
Menschen in einer Eishöhle.
Vatnajökull, Island am 26. Januar: Eishöhlen und Gletscher sind 2023 kostbar geworden – das Jahr bringt viele durch das veränderte Klima bedingte Katastrophen. Geht es 2024 mit dem Verbrauch fossiler Energie so weiter, droht der Verlust von Elementen, die das Klima bisher stabilisieren. © Getty Images

Der Januar 2023 beginnt in Europa mit viel zu hohen Temperaturen und in den Alpen fehlt der Schnee. Die Gletscher-Forscher Loris Compagno und Mylène Jacquemart waren im November noch vorsichtig optimistisch gewesen, doch es kündigt sich ein weiteres verlustreiches Jahr für die Gletscher an. In der Regierungskoalition in Deutschland kündigen sich die Konflikte an, die das ganze Jahr bestimmen werden: Es geht um die Energiewende. Aus der Opposition heraus beginnt die CDU, gegen das geplante Heizgesetz zu intervenieren und startet eine Kampagne mit der Bild-Zeitung gegen den Heizhammer. Später im Jahr werden einige Reformen umgesetzt, die den Ausstoß von CO2 reduzieren sollen: das Renaturierungsgesetz der EU (Nature Restauration Law) zum Beispiel, die Richtlinie für Energie-Effizenz bei Gebäuden oder die ausschließliche Neuzulassung von Fahrzeugen, die im Betrieb kein CO2 ausstoßen ab 2035. Doch wie Aude Valade in einer Analyse der Erneuerbaren-Richtlinie zeigt, sind manche Beschlüsse alles andere als nachhaltig. Und es kann sein, sie kommen zu spät: Schon im Januar 2023 ist ersichtlich, dass wichtige klimastabilisierende Faktoren bzw. Elemente akut bedroht sind, wie etwa der Golfstrom, im Verlauf des Jahres steigen die Meerestemperaturen in bisher nicht bekannte Höhen – die überschüssige Wärme entlädt sich in Flutkatastrophen, heftigeren Stürmen und chaotischen Wettermustern wie etwa Dauerregen. 2023 war das heißeste Jahr seit Beginn der Industrialisierung. So beginnt der Januar 2024 in Deutschland mit einer Flutkatastrophe.

Februar

Foto von militärischem Personal, das einen großen Plastikhaufen in eine Kiste packt.
Am 5. Februar an der US-Küste vor Virginia: Der mutmaßliche chinesische Spionage-Ballon wird nach dem Abschuss zusammengepackt. © Getty Images
Ein junger Mann mit Kapuzensweater sitzt zwischen Steinen.
Al Atarrib in Syrien am 21. Februar: Muhammad Al-Mula (15) am Grab seiner Familie. Al-Mula hat als einziger seiner Familie das Erdbeben in der Türkei und Syrien am 6. Februar überlebt. Er wurde nach zehn Stunden aus den Trümmern geborgen. Al-Mula kommt eigentlich aus Aleppo, er war 2016 mit einer Familie nach Al Atarrib geflohen. © Getty Images

Der Februar 2023 beginnt mit Mutmaßungen über ein Flugobjekt in der Nähe von Militärbasen der USA. Es stellt sich als ein Spionage-Ballon heraus. Im Verdacht steht schnell China, da die wirtschaftlichen Spannungen zwischen den USA und China immer weiter zunehmen. Wie die neue Weltordnung aussehen kann, analysierte Carl Kupchan und Philipp Mattheis erklärte, warum der Streit ein Streit um Microchips ist. Ein Erdbeben in der Türkei und Syrien fordert 50.000 Menschenleben. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan gerät danach unter großen politischen Druck, zeigte Klaus Wölfer: Viele Gebäude waren unter Umgehung der Bauordnung nicht erdbebensicher errichtet worden. Erdogan spielt später im Jahr seine geopolitische Macht weiter aus, indem er den Natobeitritt Schwedens verzögert und zunehmend zivile Ziele in Syrien und im Irak bombardiert und den Kontakt zu Putin sucht. Ob die Türkei, der ewige Beitrittskandidat, 2024 wieder den Weg zu Europa findet? Eine offene Frage für die EU bleibt auch 2024 bestehen, die der gemeinsamen Verteidigung. Andreas Treichl erklärte, warum das wichtig ist und Gerhard Mangott zog eine Bilanz zum nun ein Jahr währenden Krieg in der Ukraine.

März

Eine junge Frau hält ein Plakat in der Hand und bdeckt ihr Gesicht mit einem Schal.
Paris am 28. März: In Frankreich brechen tagelange Demonstrationen aus, die zum Teil in Straßenschlachten ausarten, nachdem die französische Regierung unter Berufung auf Artikel 49.3 der Verfassung eine Rentenreform ohne Parlaments-Abstimmung beschlossen hat. © Getty Images
Foto von protestierenden Frauen im Iran, keine trägt ein Kopftuch.
Frauen setzen sich im Iran schon sehr lang für Freiheit und Menschenrechte ein. 1953 erkämpften sie sich – noch vor der Schweiz – das Wahlrecht, neben Gleichberechtigung geht es immer auch um die Demokratie im Iran. Hier Proteste gegen Bekleidungsvorschriften am 8. März 1979 in Teheran. © Getty Images

Der März 2023 beginnt in Frankreich mit Straßenschlachten um die Anhebung des Pensionsantrittsalters und ebenso um Respekt vor der Demokratie. Emmanuel Macron hätte die Reform nämlich am liebsten ohne Parlament beschlossen – und setzt sich auch schließlich durch. Seit September 2023 kann man in Frankreich nun unter anderem erst mit 64 in Rente. Welche Rolle die Arbeitszeit für den Wohlstand einer Nation spielt, hat Monika Köppl-Turyna in einem Kommentar erklärt. Vor dem Hintergrund der Inflation und wirtschaftlichen Rezession bleiben die Themen Arbeitszeit, Teilzeit und Fachkräftemangel das ganze Jahr relevant. In aller Welt solidarisieren sich im März Frauen mit den Protesten im Iran, die seit September 2022 schon andauern. Das iranische Regime geht mit aller Härte gegen sie vor. Katajun Amirpur sprach mit uns über die Chancen, die der Kampf der Frauen hat. Die Hoffnungen auf mehr Freiheit zerschlugen sich im Laufe des Jahres, doch auch 2024 werden die Frauen nicht aufgeben.

April

Donald Trump wird von Polizisten zur Anklageverlesung geführt und blickt wütend in die Kamera. Das Bild ist Teil eines Jahresrückblicks.
New York am 4. April 2023: Der ehemalige US-Präsident Donald Trump erscheint vor dem Manhattan Criminal Court zur Anklageverlesung. Trump ist der erste ehemalige US-Präsident in der Geschichte, der wegen einer Straftat angeklagt wird. © Getty Images
Anhänger von Donald Trump stehen auf einer Straße und halten sein Konterfei, die amerikanische Flagge und Kreuze in die Luft.
Während Donald Trump in New York angeklagt ist, versammeln sich Anhänger in Laguna Hill, Kalifornien. Trotz der Klagen halten politische Beobachter es für möglich, dass Donald Trump die US-Wahlen 2024 gewinnt. © Getty Images
Ingo Zamperoni moderiert vor einem Atommeiler auf den das Wort Tagesthemen projeziert ist. Das Bild ist Teil eines Jahresückblicks.
Essenbach in Bayern vor dem Reaktor Isar II am 14. April 2023: Die Tagesthemen, im Bild Moderator Ingo Zamperoni, versuchen das Abschalten der Atomkraftwerke in Deutschland bildlich zu fassen. © Getty Images

Der April 2023 beginnt für den Ex-Präsidenten der USA, Donald Trump, mit einem Gerichtstermin. Er muss am 4. April in Manhattan erscheinen, um die Erhebung der Anklage in 34 Punkten anzuhören. Trump wird inzwischen auch vorgeworfen, am 6. Januar 2021 versucht zu haben, den friedlichen Regierungswechsel zu verhindern und den Sturm auf das Capitol angestachelt zu haben. Wladimir Putin droht unterdessen mit dem Einsatz von Atomwaffen. Was das völkerrechtlich heißt, hat Ralph Janik untersucht. In Deutschland gehen die verbleibenden Atomkraftwerke vom Netz. Markus Söder, einst ein Gegner atomarer Energie, würde sie in Bayern gern laufen lassen, allerdings keine Atommüllendlager haben. Unterdessen macht ein neues Wort die Runde: Heizstasi. Ob Energie zukünftig nicht aus Afrika kommen könnte, hat Christoph Kannengießer überlegt. Allen Wortneuschöpfungen zum Trotz gelingt Deutschland und auch Österreich später im Jahr eine gesetzliche Verankerung des (teilweisen) Ausstiegs aus fossilen Heizungen. Ab 2024 müssen in Deutschland neu installierte Heizungen zu 65 Prozent mit erneuerbaren Energien betrieben werden, in Österreich sind Öl-Brennkessel schon seit Jahresbeginn verboten, im Oktober einigt man sich auf ein abgeschwächtes Wärmegesetz, das keine Verbote für fossile Brennstoffe vorsieht. Zumindest in Neubauten sollen ab 2024 keine Gasheizungen mehr eingebaut werden.

Mai

Ein Irish Wolfhound geht neben Irish Guards mit Bärenfellmützen bei einer Parade. Das Bild ist Teil eines Jahresrückblicks.
30. April in Hampshire: Vorbereitungen auf die Krönung von Charles am 6. Mai 2023. Irish Wolfhound Turlough Mor (Seamus) von den Irish Guards wird King Charles und Queen Camilla nach der Krönungszeremonie in Westminister Abbey zurück zum Buckingham Palace geleiten. © Getty Images
King Charles blickt aus dem Fenster der prächtigen Kutsche, in der er zur Krönungszeremonie gefahren wird.
London am 6. Mai: (Noch-) Prinz Charles und Camilla treffen in der Diamant-Kutsche bei Westminister Abbey ein. © Getty Images
Der Empfang von Wolodymyr Selenskij in Deutschland aus der Vogelperspektive. Der ukrainische Präsident und der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz stehen auf einem Podest und blicken auf die Bundeswehrkapelle gegenüber, die ihnen zu Ehren spielt. Das Bild ist Teil eines Jahresrückblicks.
Berlin am 14. Mai: Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskij wird mit allen Ehren in Deutschland empfangen. © Getty Images

Der Mai 2023 beginnt in Großbritannien mit einem neuen König: King Charles wird am 6. Mai gekrönt und Camilla wird somit die neue Queen. Am Rande der Feierlichkeiten kommt es zu zahlreichen Verhaftungen nach einem neuen Gesetz, das eigentlich darauf abzielte, Klimaproteste zu verhindern. Demokratien sterben leise und werden mit den eigenen Mitteln zerstört, erklärte Ralph Janik in einem unserer Podcasts. In Deutschland wird unterdessen das 49-Euro-Ticket eingeführt und Wolodymyr Selenskij ist vor dem Beginn der Gegenoffensive auf Staatsbesuch zu Gast. Er wird in Aachen mit dem Karlspreis ausgezeichnet. Der russische Chauvinismus und der Krieg gegen die Ukraine stellt sich immer mehr als ein Krieg gegen Europa heraus, gegen die Demokratie und die offene Gesellschaft. Ostap Kushnir erinnerte noch einmal daran, warum die EU die Ukraine braucht. Die EU überdenkt das Flüchtlingsabkommen mit der Türkei. Gülistan Gürbey analysierte für uns, was der Deal Erdogan brachte, während Judith Kohlenberger vor dem Hintergrund des Fachkräftemangels in Österreich eine andere Asylpolitik skizzierte. Am 19. Mai stirbt Dževad Karahasan, der für uns einen Text über Bosnien geschrieben hat. Darin beschreibt er Nationalismus als ein Gift für Gesellschaften. Angesichts des zunehmenden Autoritarismus ist zu befürchten, dass 2024 von diesem Gift geprägt sein wird.

Juni

Wolodymyr Selensjij und Sanna Marin stehen neben einer Frau, die ein Selfie mit den beiden acht. Die Frau ist nicht zu erkennen, da ihr Gesicht vom Handy verdeckt wird.
Bulboaca, Moldawien, am 1. Juni: Wolodymyr Selenskij, Präsident der Ukraine, und Sanna Marin, Ministerpräsidentin von Finnland, beim Gipfeltreffen der Europäischen Politischen Gemeinschaft (EPG). Das Ziel der EPG ist, europäische und nahöstliche Staaten näher an die EU heranzuführen. Es ist einer der letzten Termine von Marin als Ministerpräsidentin von Finnland. © Getty Images
Eine Frau watet in kniehohem Wasser in ihrer Wohnung, um noch Gegenstände zu retten.
Kherson am 7. Juni: Teile der Stadt sind nach der Zerstörung des Kachowka-Damms überflutet, viele Menschen müssen aus flussabwärts gelegenen Orten evakuiert werden. Das Leitungswasser ist kontaminiert. Zu dem Zeitpunkt leugnet Russland noch die Verantwortung für die Zerstörung des Damms. © Getty Images

Der Juni 2023 beginnt für viele Menschen in der Ukraine mit einer Evakuierung. Nachdem Russland den Kachowka-Damm bombardiert hat, sind Orte überflutet. Für Lennard de Klerk ist das ein klarer Fall von Ökozid, ein mögliches Kriegsverbrechen, wie er für uns analysiert hat. Während der Rauch der Waldbrände in Kanada New York einhüllt, wird Europa von einer Dürre heimgesucht. Die Söldner der Gruppe Wagner scheinen einen Umsturz in Russland zu beabsichtigen, zumindest marschiert Jewgeni Prigoschin am 24. Juni gen Moskau. Sean McFate analysierte für uns, was Söldner eigentlich sind. Die finnische Ministerpräsidentin Sanna Marin, die Finnland in die NATO führte, übergibt die Regierungsgeschäfte am 20. Juni der Nachfolgeregierung, die als Bündnis von Nationaler Sammlungspartei Kokoomus mit Christdemokraten, Schwedische Volkspartei und Wahren Finnen sehr weit rechts steht. Marins Partei, die Sozialdemokraten, hatte die Wahlen im April verloren. Vor der Küste Griechenlands ertrinken 700 Menschen nach einem Pushback-Versuch der Küstenwache. Ruud Koopmans plädierte für eine Auslagerung von Asylverfahren. Deutschland und Großbritannien beschließen später Verschärfungen im Asylrecht, im Dezember folgt die EU mit einem neuen Asylrecht. Wird 2024 das Jahr, in dem sich Europa noch mehr abschottet und vom Nationalismus der Mitgliedsstaaten geprägt ist?

Juli

Rishi Sunak lacht gemeinsam mit Giorgia Meloni.
Vilnius am 12. Juli: Die italienische Ministerpräsidentin Giorgia Meloni und der britische Premierminister Rishi Sunak am Rande des Nato-Ukraine-Gipfels der EU. Thema ist unter anderem der Beitritt Schwedens zur Nato. © Getty Images
Ein Mann im weißen Unterhemd trägt ein Mädchen im rosa Kleid eine Schotterstraße entlang. Es ist helllichter Tag, aber der Himmel hinter ihnen ist von Rauchwolken verdunkelt.
Rhodos am 22. Juli: Touristen fliehen vor den Waldbränden, die seit mehreren Tagen auf der Insel wüten. © Getty Images

Der Juli 2023 beginnt für Schweden mit guten Aussichten für einen Nato-Beitritt, der inzwischen bereits wieder verzögert wurde – im Februar 2024 soll es dann soweit sein. Wolodymyr Selenkij wurde beim Gipfel in Vilnius, wo über einen möglichen Nato-Beitritt beraten wurde, enttäuscht – eine Assoziierung wurde abgelehnt. Stefan Hedlund hatte sich in seiner Analyse des Gipfels noch optimistisch gezeigt. Waldbrände in Griechenland lassen sich nicht mehr eindämmen, im sächsischen Raguhn Rechnitz wird ein AfD-Mitglied Bürgermeister, in Berlin wird ein Wildschwein für einen Löwen gehalten und in Österreich wird der Ärztemangel zu einem Problem. Ernest Pichlbauer machte auf die Hintergründe aufmerksam und erntete große Kritik.

August

Ein Mann hockt mit Tränen in den Augen vor roten Rosen und hält eine grüne Kappe in der Hand.
Sankt Petersburg am 24. August: Nach dem Absturz des Flugzeugs mit dem Chef der Söldner-Gruppe Gruppe Wagner, Jewgeni Prigoschin, werden Blumen niedergelegt. © Getty Images
Kinder surfen im Licht der Abendsonne während im Hintergrund Regen niedergeht.
Lahaina, Hawai, am 28. August: Die Familie im Wasser nimmt an einem Celebration of Life-Gedenken für die Verstorbenen des Feuers am 8. August teil. Die Brände hatten Lahaina vollständig vernichtet, 98 Menschen kamen ums Leben. Als eine der Ursachen für die Intensität des Brandes wird das Büffelgras gesehen, das durch die koloniale Plantagenwirtschaft nach Hawai kam und sich invasiv ausbreitet. © Getty Images

Der August 2023 beginnt in Bayern mit einem antisemitischen Flugblatt, das Hubert Aiwanger zugeschrieben wird, was er aber leugnet. Der Wahlkampf in Bayern hat längst begonnen. Eine Studie der Friedrich Ebert-Stiftung zeigt auf erschreckende Weise, dass Aiwanger mit seiner Einstellung nicht allein ist: Die frühere Mitte der Gesellschaft rückt nach rechts. Für die kommenden EU-Wahlen 2024 bedeutet dies ein großes Wählerpotenzial auch für rechtsextreme Parteien. Für die Klimapolitik, die 2024 auf den Weg gebracht werden muss, ist die Studie auch kein gutes Omen: In den Abstimmungen zur Renaturierung oder zur Begrenzung von Pestiziden stimmen die rechten Parteien dagegen. Auf Hawai vernichtet ein Feuer die historische Stadt Lahaina und Wagner-Chef Jewgeni Prigoschin stürzt ab. Stefan Hedlund zog für uns die Lehren aus dem Absturz. Während Europa noch mit dem Doppelblockbuster Barbie und Oppenheimer beschäftigt ist und Österreich sich fragt, was normal ist, zeigte Titus Leber, dass afrikanische Länder Gefahr laufen, auch ihr immaterielles Kulturerbe zu verlieren.

September

Menschen fahren Rad und gehen zu Fuß am Ufer der Seine in Paris.
Paris am 15. September: E-Roller sind in Paris verboten, zahlreiche Straßen wie hier an der Seine wurden für den Autoverkehr gesperrt. Am 4. Februar 2024 sollen die Einwohner über ein SUV-Verbot auf den Straßen der Stadt abstimmen. © Getty Images
Flucht aus Bergkarabach. Lange Reihen von Autos sind aus der Luft auf einer kurvigen Bergstraße zu sehen.
Bergkarabach am 26. September: Nach der Annexion des Landes durch Aserbaidschan fliehen nach Schätzungen 90.000 armenische Einwohner innerhalb einer Woche. Insgesamt lebten in Bergkarabach 120.000 Menschen. Die Aufnahme stammt von einem Satelliten. © Getty Images
Eine Frau hält eine rote Tasche und blickt nachdenklich zur Seite, während sie vor einem gelben Bus steht.
Ankommen in Armenien: Geflüchtete aus Bergkarabach in Kornidzor am 30. September. © Getty Images

Der September 2023 beginnt in Paris mit etwas besserer Luft, da die Stadt immer mehr Straßen in Radstraßen umwandelt, auch E-Roller werden verboten. Im Februar 2024 wird eine Befragung zur Zukunft von SUV in der Stadt folgen. Der Angriff von Aserbaidschan auf Bergkarabach bleibt unsanktioniert, fast 90.000 Menschen verlieren ihr Zuhause. Unterdessen dominieren Lieferengpässe die Weltwirtschaft. Im Panama-Kanal stauen sich die Schiffe aufgrund der Dürre, auch der Rhein hat Niedrigwasser, China hat bestimmte Güter erfolgreich zu geopolitischen Machtinstrumenten gemacht. Ist die Globalisierung noch zu retten? Gabriel Felbermayr hat für uns analysiert, warum Entkopplung keine Lösung ist. Andreas Gerstenmayer kritisierte die Lieferkettenrichtlinie der EU, die nun in Kraft ist. Im Hinblick auf die Wirtschaftspolitik geht die EU durch die Beschlüsse geeinigter in das Jahr 2024, scheint aber politisch mehr und mehr zerrissen.

Oktober

Ein Mann mit Kippa und einem Gebetstuch über der Schulter blickt lachend Richtung Kamera, während im Vordergrund de Fotos ein Mann in militärischer Uniform einen weiteren Mann in weßem Hemd mit der Hand vor sich herschiebt. Das Bild ist Teil eines Jahresrückblicks.
An der Außenmauer des Felsendoms in Jerusalem am 6. Oktober 2023. Es ist Hoshana Rabbah, der siebte und letzte Tag von Sukkot, dem Laubhüttenfest. © Getty Images
Ein Mädchen in einem rosa farbenen T-Shirt auf dem mit Glitzersteinchen LA steht, hält eine Handvoll frischer Oliven in die Kamera.
Olivenernte in Silwan in der Nähe von Jerusalem am 6. Oktober. Der Tag ist seit dem 7. Oktober 2023 der Vorabend des Massakers der Hamas, bei dem 1.200 Menschen ermordet und mehr als 200 Geiseln verschleppt wurden. © Getty Images

Der Oktober 2023 beginnt mit einem grausamen Massaker mit 1.200 Toten und dem Wiedererwachen des Krieges im Nahen Osten. Unmittelbar nach dem Massaker der Hamas begann Israel, Gaza zu bombardieren. Während die israelische Soziologin Eva Illouz noch fragte, warum die Welt Israel keinen Moment der Trauer gönnt, kam es in vielen europäischen Ländern zu antisemitischen Kundgebungen. Mirjam Zadoff, Direktorin das NS-Dokumentationszentrum München, sprach mit uns darüber, warum tabuisierte Gewalterfahrungen Demokratien gefährden können. Ralph Janik analysierte das Verhältnis von israelischem Recht auf Selbstverteidigung und dem palästinensischem Recht auf Selbstbestimmung. Amatzia Baram erklärte, warum Israel nicht mit dem Angriff der Hamas rechnete.

November

Eine Gruppe von Menschen wärmt sich an einem Feuer, das inmitten zerstörter Gebäude brennt.
Khan Yunis im Gazastreifen am 29. November während des Waffenstillstands, als er um zwei Tage verlängert wurde. © Getty Images

Der November 2023 beginnt nicht mit dem nur wenige Tage währenden Waffenstillstand, doch währenddessen kommen zumindest einige Geiseln frei. In Deutschland stellt das Verfassungsgericht fest, dass Corona-Gelder nicht für den Klimaschutz ausgegeben werden dürfen, 60 Milliarden Euro fehlen im Budget. Anders als Österreich gelingt es Deutschland nicht, ein Klimageld auf die Beine zu stellen. Im Schatten der Kriege setzt China seinen Wirtschaftskurs fort – allerdings birgt dieser Gefahren für die Weltwirtschaft, denn China sitzt auf einem Berg fauler Kredite, wie Aleksandra Gadzala Tirziu in ihrer Analyse der geheimen Pläne Chinas zeigte. Von der geopolitischen Macht Chinas fühlen sich viele bedroht, so das Ergebnis einer unserer Umfragen. Unser Experten-Forum fragte daher auch: Ist China noch zu bremsen? Für die wirtschaftliche Entwicklung 2024 wäre es vorteilhaft, wenn die Chinazentrierung abnähme. Am 13. Januar 2024 wird in Taiwan gewählt – die jetzige Regierung lässt sich von den Drohungen Chinas nicht einschüchtern und geht enge wirtschaftliche Bindungen mit den USA und it Europa ein. Die Allianzen entscheiden 2024 mit darüber, ob Europa technologisch den Anschluss halten kann. Wie groß die Kriegsgefahr ist und was Xi Jinping will, analysierte Susanne Weigelin-Schwiedrzik für uns.

Dezember

Donald Trump vor einer USA-Flagge neben dem gigantischen Schatten eines Cowboy-Hutes.
Reno in Nevada am 17. Dezember 2023: Donald Trump im Wahlkampf als republikanischer Präsidentschaftskandidat. © Getty Images
Eine Frau schwenkt eine argentinische Fahne während Polizisten mit Schutzschilden im Hintergrund stehen.
Buenos Aires am 27. Dezember: Demonstrationen gegen die Politik des im November zum Präsidenten gewählten Javier Milei. Dieser setzt Militär ein und will nun bis 2025 den Notstand ausrufen, um Demonstrationen ganz zu unterbinden. © Getty Images

Der Dezember 2023 beginnt in Österreich mit Publicity: Es kommt durch die Pleite von Signa und durch den Gerichtstermin des Ex-Bundeskanzlers Sebastian Kurz in die Schlagzeilen. Donald Trump wird zwar von einigen US-Bundesstaaten von einer Kandidatur ausgeschlossen, aber er will dennoch Präsidentschaftskandidat der Republikaner werden. In Argentinien brechen soziale Kämpfe aus: Der neue libertäre Präsident Javier Milei will seine Wirtschaftspolitik notfalls mit Gewalt durchsetzen. Die Ukraine steht am Ende des Jahres ungebrochen da, auch wenn die Zusagen für finanzielle Hilfen brüchig werden. Wie wird sich die Lage in der Ukraine 2024 entwickeln? Stefan Gady war an verschiedenen Fronten in der Ukraine und beschrieb für uns, warum er an eine Niederlage Russlands glaubt. Der Krieg Israels gegen die Hamas weitet sich aus, und die israelische Regierung von Benjamin Netanjahu kündigt an, die Kämpfe 2024 zu intensivieren, mehr als 20.000 Menschen sind seit Oktober im Gazastreifen durch die Bombardierungen ums Leben gekommen. Die Uno bekräftigt kurz vor Weihnachten das Recht der Palästinenser auf Selbstbestimmung, stimmt für humanitäre Hilfe, aber gegen einen Waffenstillstand. Drei US-Universitäten geraten vor dem Hintergrund des Krieges in die Kritik, weil sie scheinbar Antisemitismus billigen. Erwin Chemerinsky von der Berkeley School of Law erläuterte für uns die rechtlichen Hintergründe und erklärt warum Redefreiheit auch Hassreden umfassen muss: „Der Kern des Schutzes der Redefreiheit besteht darin, dass alle Ideen geäußert werden können. So sollte es auch sein. Sobald eine Regierung wählen kann, welche Ideen erlaubt sind, gibt es für die Zensur kein Halten mehr.“

Was im Dezember 2023 noch wichtig wurde

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